Die zeitgenössische Kunst krankt an ihrer eigenen Radikalität – oder besser: an deren Simulation. Auch Webers jüngstes Manifest reiht sich zunächst in diese ermüdende Tradition der künstlichen Rebellion ein. "ICH WUSSTE NICHT, DASS MAN NICHT DARAN RUMFUMMELN DARF" – dieser sich wiederholende Satz kokettiert mit einer gespielten Naivität, die im Jahr 2024 schon fast zynisch wirkt.
Weber bedient sich eines mittlerweile überstrapazierten Arsenals digitaler Referenzen. .exe, .dat, .crash – diese Dateiendungen sind nicht mehr als oberflächliche Ornamente einer Kunst, die verzweifelt versucht, zeitgemäß zu wirken. Die "weinenden Prozessoren" und "träumenden Server" wirken wie romantische Projektionen eines Künstlers, der die wahre Kälte der Technologie nicht zu fassen bekommt.
Besonders problematisch erscheint der Versuch, dadaistische Strategien ins Digitale zu übersetzen. Während der historische Dadaismus aus einer echten gesellschaftlichen Krise erwuchs, wirkt Webers digitaler Dada wie eine gut kalkulierte Marketingstrategie. Das "Rumfummeln" als künstlerisches Prinzip? In Zeiten von Hacktivismus und Systemkritik erscheint diese Pose erstaunlich harmlos.
Webers größte Schwäche offenbart sich in der gewollten Destruktion. Jeder Bug, jeder Glitch wird zum Fetisch erhoben. Aber wo bleibt die echte Systemkritik? Das Manifest verliert sich in einer Ästhetisierung des Fehlers, ohne dessen politische Dimension wirklich auszuloten.
Die proklamierte Revolution wirkt wie eine Karikatur ihrer selbst. Weber ruft zum Aufstand gegen das System auf – und bedient sich dabei genau der Mechanismen, die er vorgibt zu kritisieren. Die "Bastarde der Binärkunst" sind in Wahrheit brave Kinder des Kunstmarkts.
Dennoch: In einzelnen Passagen blitzt echtes Potential auf. Wenn Weber von "Maschinenflüsterern" spricht oder Computer zu "Partnern in Crime" erklärt, eröffnet er kurzzeitig neue Perspektiven auf unser Verhältnis zur Technologie. Diese Momente sind leider zu selten.
Vielleicht liegt die eigentliche Qualität des Manifests genau in seinem Scheitern. Die übertriebene Pose, die aufgesetzte Rebellion, die verzweifelte Suche nach Authentizität – all das spiegelt unfreiwillig den Zustand einer Kunstwelt wider, die zwischen digitaler Transformation und traditionellen Strukturen gefangen ist.
Webers Manifest ist symptomatisch für eine Generation von Künstlern, die im Digitalen nach neuen Ausdrucksformen sucht und dabei oft nur alte Muster reproduziert. Es ist weniger revolutionär als vielmehr Zeugnis einer Übergangszeit, in der die Kunst noch keine adäquate Sprache für das Digitale gefunden hat.
Die wiederkehrende Phrase "ICH WUSSTE NICHT, DASS MAN NICHT DARAN RUMFUMMELN DARF" entlarvt sich am Ende als das, was sie ist: Ein kunstvolles Eingeständnis der eigenen Ratlosigkeit im Angesicht einer Welt, die längst komplexer ist als jedes Künstlermanifest.
Dr. Victor Kravenhorst ist Kunstkritiker und Kurator. Er schreibt regelmäßig für internationale Kunstzeitschriften und ist bekannt für seine unbarmherzigen Analysen zeitgenössischer Kunst.